Heimspiel
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Die Allgäuer lieben ihre Heimat – und wissen auch warum. Denn die Region bietet vielfältige Touren- und Ausflugsmöglichkeiten für beinahe alle alpinen Spielarten. Und atemberaubend abwechslungsreiche Landschaft dazu.
„Daheim ist es halt doch am schönsten“, sagt Anna grinsend, von Julia und Andrea kommt kein Widerspruch. Daheim, das ist für die drei Freundinnen immer noch das Allgäu, auch wenn sie alle längst woanders wohnen. Die beiden Studentinnen lernen in Zürich und Fulda, Andrea lebt in München. Doch anders als viele andere junge Frauen vom Lande kommen sie gern zurück in die Heimat, empfinden diese überhaupt nicht als langweilige Provinz. Nicht zuletzt liegt das freilich an ihrer Liebe zu den Bergen.
Warum sollte es ihnen da anders ergehen als den Gästen, die zum Wandern, Bergsteigen, Radeln oder Klettern ins Allgäu kommen? Die Region ist eines der beliebtesten Ferienziele Deutschlands, international bekannt ist der Austragungsort der Nordischen Weltmeisterschaften: Oberstdorf. Doch das Allgäu ist viel größer: Es reicht vom Bodensee im Westen bis zum Lech im Osten, und an den Ammergauer Bergen sogar ein Stückchen darüber hinaus. Mit geografisch klar definierten Grenzen ihrer Heimat tun sich selbst die Einwohner schwer, schließlich bildet die Region keine politische Einheit.
Wie weit das Allgäu ins Alpenvorland hinausreicht, das ist meist eine Streitfrage. In den Bergen sehen es die Einheimischen nicht so eng: Da wird gern noch das nördliche Außerfern um Reutte, das Tannheimer Tal und im Südwesten das Kleinwalsertal zum Allgäu dazugerechnet.
Kein Wunder, haben die befreundeten Nachbarn doch ebenfalls schöne Landschaft und viele Tourenmöglichkeiten zu bieten.
Andrea, Julia und Anna waren schon als Kinder in den Bergen unterwegs, die Eltern haben sie mitgenommen. Und wer so aufwächst, probiert fast zwangsläufig verschiedene alpine Spielarten aus: Wandern, Bergsteigen, Klettern, Klettersteige und Mountainbiken. Und für all diese Aktivitäten finden die drei jungen Frauen im Allgäu ein abwechslungsreiches Aktionsfeld.
Kein Wunder also, dass sie gern zurück kommen. Diesmal für ein Wochenende, Treffpunkt frühmorgens beim Bäcker in Hindelang. Nach einer Tasse Kaffee und einem Nusshörnchen geht es los, durchs Hintersteiner Tal zum Himmeleck und weiter zum Laufbacher Eck. „Die steilen grünen Hänge sehen aus wie Klippen in Südamerika“, schwärmt Andrea. Julia, die Geologie-Studentin kann erklären, warum: Das Mergelgestein ist sehr fruchtbar und auf dieser Grundlage gedeihen viele verschiedene Pflanzenarten – so entstehen die berühmten Allgäuer Blumenberge. Selbst auf atemberaubend steilen Hängen wie an der Trettach wachsen Gras und Blütenpflanzen.
Auch der Schneck zieht die Blicke auf sich. Von der Oberstdorfer Seite aus gleicht er einer kriechenden Schnecke ohne Haus, die ihren Kopf etwas aufrichtet. Der alte Name Himmelhorn klingt freilich schon romantischer. Und vom Hintersteiner Tal aus sieht die senkrechte Ostwand auch gar nicht nach einem wirbellosen Kriechtier aus.
„Weißt Du noch, wie wir den Grat entlang geklettert sind?“, ruft Anna alte Erinnerungen wach. Die steilen Grasflanken der Oberallgäuer Berge wie dem Schneck und der Trettach sind berüchtigtes Absturzgelände und nur etwas für nervenstarke Bergsteiger. Doch es gibt auch ganz genüssliche, einfache Wanderungen in den Allgäuer Bergen oder Klettereien in hellem Kalfels wie in den Tannheimer Bergen am Gimpel oder am Geiselstein an der Hochplatte. Viele Alpen und Hütten laden zudem zu einem Ausflug ein – und wenn es nur zur Einkehr mit deftigen Kässpatzen ist. Weil viele Berge nur nach ausgedehnten Talanstiegen zu erreichen sind, bietet sich im Allgäu die Kombination aus Bergrad und –schuhen besonders an, Bike and Hike eben. Dass dies keine neue Idee ist, können Bergsteiger in den Erinnerungen des Oberstdorfer Eigernordwand-Erstbesteigers Anderl Heckmair nachlesen. Schon die Bergvagabunden der 1930er Jahre nutzten die Fahrräder, um weniger wandern zu müssen, auf dem Weg zu ihren Kletterrouten.
Nach einer Übernachtung im Edmund-Probst-Haus am Nebelhorn bekommen dann auch Anna, Julia und Andrea Fels zu packen: Auf dem luftigen Hindelanger Klettersteig überschreiten sie die Wengenköpfe und die Zwiebelstränge. Diese Tour ist neben dem Mindelheimer Klettersteig ein Klassiker, in der Region gibt es jedoch auch einige ganz neu eingerichtete Klettersteige.
An diesem Tag ziehen die Wolken schnell über den Köpfen der Bergsteiger hinweg, der Wind weht eisig. Es wartet noch ein gutes Stück zu klettern, bevor die Freundinnen über den Engeratsgundsee und das Türle wieder ins Hintersteiner Tal absteigen können. „Es war eine gute Idee, Mütze und Handschuhe mitzunehmen“, ruft Andrea – und lacht, denn an diesem Juliwochenende liegen Menschen anderswo vielleicht im Freibad. Julia macht das nicht neidisch. Sie findet: „Schöner ist es dort aber trotzdem nicht.“